Bunbury oder Ernst sein ist Alles

Oscar Wilde, der humorvolle Dandy, der die Gesellschaft gezielt mit seinem Spott bloßstellte und gleichermaßen amüsierte, war ein Meister der Masken. Ob er der Welt jemals sein wahres Gesicht gezeigt hat, ist jedoch fraglich. In funkelnden, geschliffenen Dialogen wird die Frage nach dem „Wer bin ich“ vorangetrieben, der messerscharfe Wortwitz, die absurden Sprachspiele dekuvrieren die Konventionen und die gesellschaftliche Phraseologie. Identität wird zum doppelbödigen Spiel, Gesellschaft zur brillanten Inszenierung.
Wildes „triviale Komödie für seriöse Leute“ erzählt von zwei Bonvivants, denen ihre persönliche Freiheit und das Vergnügen alles ist. Um sich diese Freiheit zu ermöglichen, erfindet der eine einen kranken Freund namens Bunbury auf dem Lande und der andere einen Bruder namens Ernest (Ernst), der angeblich in der Stadt leben soll. Beide verlieben sich bei ihren Eskapaden in zwei junge Damen der Gesellschaft, die die beiden Herren vor eine komplizierte Aufgabe stellen. Die Erfindung von imaginären Verpflichtungen, das „Bunburysieren“, wird zur idealen Ausrede, mitunter den Gläubigern und dem strapaziösen Londoner Gesellschaftsleben zu entfliehen. Durch eine überraschende Wendung zeigt uns Oscar Wilde, dass eine erfundene Identität plötzlich das wahre ICH sein kann.

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